Allerseelenwecken am Fensterbrett

Vom Fluss stiegen graue Novembernebel auf
Schwarze Raben flogen über die grauen Stoppelfelder
Ein kalter Wind blies letzte Blätter von den Bäumen

Die Hausbank war leer und verlassen, nur die letzte Birne war darauf gefallen
Das Krautfass im Keller war gut gefüllt
Man war ausgegangen, um rote Lichter auf den Gräbern zu entzünden

Auf dem Heimweg kaufte man beim Bäcker Allerseelenwecken
Bevor man die Fensterläden schloss, legte man ihn aufs Fensterbrett
Leise kam die Dämmerung, und die Abendnebel stiegen aus der Wiese auf

In der warmen Stube öffnete man eine Flasche Birnenwein
Man las Geschichten vom unheimlichen Fährmann auf dem nächtlichen Fluss
Draußen im Moor vermutete man die Irrlichter, die ihr Unwesen trieben

Von der dunklen Dorfstraße kam ein unbekannter Wanderer näher
Als man seine Schritte näherkommen hörte, öffnete man ihm die Tür
Man lud ihn ein, Gast zur Nacht zu sein

Er möge seine Geschichte erzählen, so bat man den auf der Ofenbank sitzenden Unbekannten
Sein Weg habe ihn seit Stunden durch den dunklen Wald geführt, so begann er
Er sei einst der Schatz der kürzlich verstorbenen Kellnerin des Dorfwirtes gewesen

Nun habe er ihr Grab gesucht, um darauf eine rote Rose abzulegen
Dann sei er in die Dunkelheit geraten, und beim Weiher sei ihm eine Nebelgestalt über den Weg gelaufen
Sie hätte ihn zu sich gewunken, ihr ins Unterholz zu folgen

Man bekam eine Gänsehaut bei dieser Erzählung
Als man später vor die Türe sah, war der Allerseelenwecken verschwunden
Dafür lag ein Schinken aus dem Rauch auf dem Fensterbrett, und der Wanderer war verschwunden

© Karin Stückl