Menschen im Restaurant

Hochzeitstag oder Scheidung

Mein Mann und ich saßen gestern Abend in unserem Hotel-Restaurant und studierten die Speisekarte.
Gleich fiel uns auf, dass der Nebentisch für zwei Personen festlich gedeckt war. Eine Vase mit roten Rosen, ein Kerzenleuchter und Wein- Kristallgläser. Unsere Neugier war geweckt.
Wir hatten noch nicht ausgedacht, kam ein Pärchen mit einem großen Hund. Der Mann trug einen kleinen aufgerollten Teppich unterm Arm. Dieser wurde neben dem Tisch ausgerollt und der Hund nahm darauf seinen Platz ein. Das Paar war so Anfang, Mitte fünfzig. Die Kleidung war normal. Nichts deutete auf eine Feier hin. Das Paar saß keine fünf Minuten am Tisch, als sich der Mann erhob und nach draußen ging. Sie holte ihr Handy und zappte darauf herum. Inzwischen kam die Bedienung und brachte die bestellte Flasche Rotwein. Nach einer Weile tauchte der Mann wieder auf und die Flasche wurde von der Bedienung geöffnet und eingeschenkt. Wieder stand der Mann auf und ging in Richtung Ausgang. Sie saß wieder mit ihrem Handy und telefonierte. Er kam zurück und sie war noch immer mit ihrem Handy beschäftigt.
Wir fragten uns, was sie wohl zu feiern haben. Sie sprachen kaum miteinander. Nach einem glücklichen Paar sah das nicht aus.
Feierte das Paar Hochzeitstag oder Scheidungstag?

Der Herr und das Frühstück

Schon von weitem hörten wir den Herrn reden, der mit seiner Partnerin am Nebentisch von uns sein Frühstück einnahm. Beide so um die sechzig.
Ich flüsterte meinem Mann zu: Der sollte mal zu Amplifon gehen und sein Gehör überprüfen lassen.“
Die Frau, die dem lauten Mann gegenüber saß, wurde überflutet mit dem Geschwätz aus seinem Leben. Wir bekamen mit, dass er ja morgens nur zwei Toasts isst und hier im Hotel schon zwei Kilo zugenommen hat. Er erzählte, dass er beruflich immer unterwegs war und alle Länder bereist hat.
Würde mir so ein Mann gegenüber sitzen, hätte ich schon lange gefragt: „Darf ich auch mal was sagen?“ Nein, mit so einem Mann würde ich erst gar nicht verreisen.
Leise sagte mein Mann zu mir: „Der ist nicht schwerhörig. Der hört sich selbst gern reden.“
Da fiel mir der Satz ein: ´die Friedhöfe der Welt liegen voll mit Menschen, die sich für unentbehrlich hielten. ´

© Anneliese Leding-Albani