Allerheiligen beim Blumenbinder

Der November zeigt sich von seiner sonnigen Seite
Es ist der Tag der großen Modenschau in schwarz
Die Auftragsbücher der Schneider sind üppig gefüllt gewesen.

Nun dürfen auch die Chrysanthemen fürs Grab nicht vergessen werden
Kleine Geldbeutel werden nur ungern eingeräumt
In den nächsten Tagen wird dafür Erbsensuppe auf dem Speisezettel stehen.

Mit dem Handkarren fährt man die Blumenschale zum Friedhofstor
Das eigene Auto sei in der Werkstatt
Die Hausangestellte habe Urlaub.

Der Blumenbinder schmunzelt leise
Auch er habe eigentlich einen fliegenden Teppich besessen
Doch der sei ihm gestohlen worden.

Seine Frau steht in der Küche
Sie bereitet Frikadellen mit Kartoffelsalat
Auch die Lehrmädchen wollen mit hungrigen Mägen zu Tisch.

Da betritt eine einfach gekleidete Frau den Laden
Ihr Kind war kurz nach der Geburt verstorben
Sie könne sich nur wilde Gänseblümchen leisten.

Der Blumenbinder bittet sie zu Kaffee und Kuchen
Seine Frau habe die letzten Früchte des Gartens verbacken
Ein zufällig anwesender Graf beschenkt die Trauernde mit einer Schale Chrysanthemen.

Leise kommt die Dämmerung
Der Mond hat einen Hof, der baldigen Schneefall ahnen lässt
In der Nacht schneite es weiße Rosenblätter auf das Grab des Kindes.

© Karin Stückl