Der Zaungast bei der Hochzeit

Es ist der Hochzeitstag der Grafentochter
vier weiße Schimmel ziehen die güldene Hochzeitskutsche
Handverlesene Gäste sind angereist

Er steht am Wegesrand unter dem Schneeballstrauch
Einst stand er als Gärtner des Grafen in Lohn und Brot
Aber er liebte die Freiheit, und wurde zum Vagabunden

Wie gerne würde er sich unter die Hochzeitsgäste mischen
Es sollte Kalbsbraten zum Mittagsmahl geben
Aber niemand hat daran gedacht ihn zu laden

Ach hätte er nur Geld für den Schneider gehabt
Er würde sich den herrlichsten Frack haben nähen lassen
Das hätte ihm Ansehen und Eintritt zur vornehmen Gästeliste verschafft

Von Ferne hört er den Kuckuck rufen
Ein Maikäfer hat sich auf einem grünen Blatt niedergelassen
Die laue Luft duftet nach Flieder

Da steht plötzlich eine Hofdame vor ihm
In der Küche bräuchte man heute dringend einen Spüler
Man würde ihn auch im erlesensten Gästegemach nächtigen lassen

Sein hungriger Magen sorgt für sein Ja zu diesem Angebot
Der festliche Tag wird für ihn ein überaus arbeitsreicher
Niemand bittet ihn in den Ballsaal

Doch lässt man ihn teilhaben an der Mitternachtssuppe
Man bedient ihn in seinem Schlafgemach
Des Nachts träumt er davon, auf dem Ball der Nachteulen geladen zu sein

© Karin Stückl