Abends am Ende der Welt

Wir umrunden die Landspitze mit dem Leuchtturm darauf und wechseln die Seeseite. Erfrischend schlägt uns Wind entgegen. Ein paar Meter noch. Dann langen wir in unserem Lieblingslokal an. Die Bestuhlung reicht bis ans Meer. Der Wirt hat seiner Gaststätte den Namen "Am Ende der Welt" gegeben. Wir sitzen gerne hier mit Blick auf die Häuser jenseits des Meeres. 18 Kilometer Luftlinie trennen uns von der großen Stadt Triest. Sie liegt auf italienischem Boden. Wir befinden uns auf slowenischem.

Die Sonne ist untergegangen. Zunehmend verdunkelt sich das Wasser. Die weiße Kleidung Vorübergehender strahlt hell in die Dunkelheit und die Augen in den gebräunten Gesichtern blitzen. Aus den Lautsprechern klingt leise Musik. Sie passt zu den langen, langsamen Wellen, die heranrollen.

Ein Wall, aufgetürmt aus mächtigen Gesteinsbrocken, schützt den Weg vor dem Meer. Vor vielen Jahren bäumte es sich in einem fürchterlichen Sturm auf und warf die schweren Quader wie Tennisbälle wahllos umher.

Jetzt ist das Meer ruhig. Fast zärtlich glucksen seine Wellen.

Drüben in der Stadt flammen die ersten Lichter auf, spiegeln sich schaukelnd auf dem Wasser. Mehr und mehr werden es. Ganz Triest setzt sich Lichter auf und wirft sie hinaus aufs Meer.

Der Strom der Abendspaziergänger lichtet sich. Das Wasser wird finster, und die Wellen murmeln, als sängen sie ein Wiegenlied.

„Śe en? - Noch einen?“, fragt der Wirt vom anderen Ende der Welt. Er meint damit den köstlichen Malvasia, den er kurz darauf in einer Karaffe kredenzt.

Wir schweigen und schauen über das Meer. Die Positionslampen der Fischerboote leuchten aus der Ferne zu uns herüber. Und über allem spannt sich weit das nachtblaue Firmament mit seinen unzähligen, blitzenden Sternen.

© Jutta Gornik