Nieselregen

Er schlug den Weg zum Park ein. Es war unfreundlich. Wie es im Herbst manchmal ist. Es nieselte. Die Wege waren nass. Der Wind trieb darauf gelbe Blätter. Außer ihm schien kein Mensch unterwegs zu sein. Er wäre jetzt auch lieber daheim. Aber er musste sein tägliches Laufpensum absolvieren. Nach einer Herzoperation war es ihm verordnet worden. Etwas später sah er zwei Jungen. Sie bekämpften einander mit Stöcken, die für sie offensichtlich Schwerter darstellten. Es schien ein herrliches Spiel zu sein. Sie riefen und lachten und wechselten von einer Seite zur anderen. Ihnen machte der Nieselregen nichts aus.

Als er ein Lauser in diesem Alter war, gab es für ihn auch kein schlechtes Wetter. Selbst bei strömendem Regen war er mit Kameraden unterwegs. Er erinnerte sich, wie sie die Wassermassen mit Steinen und Sand und allem, was sie sonst noch auf der Straße fanden, umleiteten und aufstauten. Einmal gab es Ärger, weil ein ziemlich großer See entstanden war, der die Fußgänger zwang, Umwege zu nehmen, wollten sie trockenen Fußes weiterkommen. Nochmals Ärger wartete dann daheim, als er klitschnass eintraf. Er selbst hatte nicht bemerkt, wie durchnässt er war. Immer mehr Erinnerungen aus seiner Kindheit drangen plötzlich in sein Bewusstsein. Es war damals eine wunderbare Zeit gewesen, voller Geheimnisse und Abenteuer. Um das Wetter hatten sich nur die Erwachsenen gekümmert, denen niemals eine Wetterlage recht war. Als er an die Geschichte dachte, wie sie ein Portemonnaie, an dem ein feiner Zwirn zum Wegziehen befestigt war, auf dem Boden auslegten, um Leute zu locken und zu foppen, musste er lächeln. Während er mit gleichmäßigen Schritten Runde um Runde drehte, kam ihm eine Fülle von Ereignissen aus seinen Kindertagen in den Sinn. Es war wie ein wunderbarer Film. Als er seine Zeit abgelaufen hatte und heimkehren konnte, war er ein wenig traurig. Zu Hause, wo familiärer Umtrieb herrschte, würde sich das Schatzkästchen in seinem Kopf schließen.

© Jutta Gornik