Der Bärtige

Anne fuhr in ihrem Bett hoch. Sie lauschte angestrengt in die Finsternis. Ihr war, als tappte jemand unter dem Fenster. Doch nun war es still. Nur das Rauschen des Windes in den Blättern der Bäume war zu hören. Die Frau legte sich beruhigt zurück und schlief kurz danach wieder ein. Aber dann schreckte sie erneut auf. Von draußen klangen Geräusche, als ob sich da einer an etwas zu schaffen machte. Anne kroch aus ihrem Bett und schlich in die Nähe des geschlossenen Fensters. Durch die Gardinen erspähte sie einen großen, bärtigen Mann in einem schwarzen Hoodie. Er schien an der Tür der Gartenlaube mit einem Gegenstand zu kratzen. Als er die Hand jetzt sinken ließ, blitzte etwas auf. Die Frau erschrak. Sie meinte, im Mondschein ein Messer zu erkennen. Auf einmal jedoch war die Gestalt verschwunden. Es war, als habe sie sich vor ihren Augen in Luft aufgelöst. Ein herabhängender, langer Ast wurde vom Wind hin- und hergetrieben und schabte dabei an der Tür der Gartenlaube.

Anne schlüpfte unter ihre Bettdecke. Alles Hirngespinste, dachte sie. Dennoch schlug Ihr Herz schnelle. Auf einmal sah sie den Bärtigen erneut. Er kam geradewegs auf sie zu und blickte sie dabei aus eisgrauen Augen bedrohlich an. Er führte offensichtlich nichts Gutes im Schilde. In seiner Rechten erblickte sie das Messer. Aber schon war der Mann abermals verschwunden. Stattdessen meinte die Frau jetzt, sich entfernende Schritte zu vernehmen. Sie schienen sich rasch dem Eingang zum Haus zu nähern. Da schrillte die Türglocke. Sie klang wie ein Schrei und erfüllte das ganze Haus.

Anne schoss aus ihren Kissen. Mit einem gezielten Schlag ihrer rechten Hand brachte sie den Wecker zum Schweigen.

© Jutta Gornik