Winternacht an der Mühle

Es ist Mitternacht
Der Wind trägt den Klang der zwölf Glockenschläge herbei
Es ist ein kalter Nordwind der bläst

Es knackt im Unterholz, als ein paar Wildschweine vorbeiziehen
Der Uhu fliegt aus seinem Nest
Das Moos auf dem Dach überfriert mit Raureif

Hoch oben am Himmel steht der große Wagen
Auch der Mond und der Orion ziehen ihre Bahn
Gleich einer Wohnzimmerlampe leuchtet der rötliche Stern Beteigeuze

Über dem Fluss schweben eisige Nebel gleich Nachtgespenstern
Vergeblich wartet man hier auf den Fährmann
Hier lebt man noch vom Garten

In der Mühlenstube hat man die Lampen gelöscht
Man war noch lange bei Punsch und Kartenspiel beisammen gesessen
Ein paar Holzfäller haben sich zur Übernachtung eingefunden

Die Zeit im Tierkreiszeichen des Steinbocks sei die beste zum Baumfällen
In der Stadt wartete man auf hochwertiges Holz für die Möbel der Villen
Man erzählte von geheimnisvollen Vorfällen im Wald

Als man sich zur Ruhe begab, hatte man eine Gänsehaut bekommen
Denn es waren nicht nur die Schritte eines vorbeischleichenden Fuchses zu hören
Es waren menschliche Schritte, die aus dem Inneren des Waldes näher und näher kamen

Jenseits der Waldwege lag alter Schnee zwischen den Tannen
In der dunklen Mühle sank man in den Schlaf
Niemand sah, wer den Leiterwagen mit Reisig für den Ofen vor die Haustür gestellt hatte

© Karin Stückl