Santa-Luzia-Tag

Wir gehen am Ufer des Flusses entlang
Neben uns fließt das Wasser zum Meer
Enten am Ufer halten ihre Mittagsruhe

Wir nähern uns dem alten Weidenbaum
Hier schnitzten wir einst das Luziakreuz in die Rinde
Damals, kurz nach unserer Verlobung

Heute werden wir keines hinterlassen
Auch die Misteln haben wir vergessen zu kaufen
Wir lauschen dem Wind, statt uns angeregt zu unterhalten

Hier am Fluss soll vor langer Zeit ein Fährmann gelebt haben
Und das Flößerhandwerk soll geblüht haben
Heute treffen wir nur die Gemeindearbeiter, welche die Papierkörbe leeren

Stumm nicken wir uns im Vorbeigehen zu
Dann sind wir wieder die einzigen Spaziergänger am Weg
Wir folgen der fahlen Dezembersonne gen Westen

Im hohen Norden stellt man heute Kerzen im Papierschiff ins Wasser
Einst hatten wir dorthin unsere Hochzeitsreise unternommen
Hatten ein skandinavisches Candle-Light-Dinner genossen

Der Butler des Hauses hatte uns güldene Löffel überreicht
Wir trugen erlesene Abendgarderobe
Betrachteten die Nordlichter am Nachthimmel

Alles was uns geblieben ist, ist ein Bild von Santa Luzia
Und die Bank am Weidenbaum, auf der wir nun sitzen
Heute abends wollen wir ein Märchen von nordischen Trollen lesen

© Karin Stückl