Glück auf Zeit 378


Alex hatte seinen Kindern das Fläschen gegeben, sie in das Himelbett gelegt und ihnen ein Gute-Nacht-Lied vorgesungen. Dann begab er sich in die Küche, wo Petra verschiedene Salate für den morgigen Tag vorbereitete. Als er in ihr blasses, mageres Gesicht sah, erblickte er Tränen, die von den Augen über ihre Wangen liefen.
Alex legte seine Hände auf ihre Schultern und zog sie fest an sich heran. "Petra, was ist denn? Warum weinst du?" Sie hatte nicht gewollt, dass Alex sah, dass sie weinte.
"Ach Alex", sagte sie mit dünner Stimme. "Ich frage mich die ganze Zeit schon, was ich falsch gemacht habe. Ich kann die Zwillinge nicht stillen. Das bisschen Milch, das ich hatte, hat sie gestaut. Sie haben die Milch im Krankenhaus abgepumpt. Wegen des Milchstaus hatte ich so hohes Fieber. Mein Brust ist ganz blau gewesen und das Abpumpen tat so weh." Er fragte sich, warum sie nie im Krankenhaus mit ihm darüber gesprochen hatte. Wahrscheinlich hatte sie sich geschämt. "Du hast nichts falsch gemacht, Petra. Du warst so tapfer. Ich hatte solche Angst, dich zu verlieren. Und ich habe auch Angst, deiner Familie morgen zu begegnen. Ich bin ein geborener Feigling." Sie küsste ihn wehmütig auf die Stirn.
"Nein Alex, du bist kein Feigling. Du bist der liebste Mensch, den ich je kennengelernt habe. Aber ich bin so müde heute. Ich kann nicht mehr. Ich könnte nur noch weinen." Petras Stimme wurde immer leiser. "Ich bringe dich ins Bett.", sagte Alex und trug Petra auf seinen Händen ins Schlafzimmer. Er legte sie behutsam aufs Bett. "Schlaf gut, mein Liebling.", sagte er sanft.
Dann ging er in die Küche, deckte die Schüsseln mit den fertig zubereiteten Salaten mit Alufolie ab und trug sie in den Keller, wo es etwas kühler war. Er räumte das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine und begann, das Besteck abzuwaschen. Dabei wünschte er sich sehnlich, er hätte den Tag morgen mit Carmen, Petras Eltern und Dani bereits überstanden.

© Ingrid Hartung