Glück auf Zeit 209


Markus und Carmen lagen nackt auf einer Felldecke vor dem Kamin in ihrem Zimmer auf der Josefs Rast. Das Feuer loderte und die Wärme tat beiden gut. Markus legte seine Arme auf ihre Schultern und zog sie an sich. Ihr Gesicht war noch immer tränennass, und er hatte das heftige Gefühl, sie trösten zu wollen. Er hatte nicht das Bedürfnis, jetzt mit ihr zu schlafen. Die Tatsache, dass dieser Kalle sie bereits geschwängert hatte, bevor sie ihn kennenlernte, ging nicht spurlos an ihm vorüber.
Er fühlte sich betrogen. Carmen war bei weitem nicht so unschuldig, wie er sie eingeschätzt hatte. Sie hatte bereits bittere Erfahrungen gesammelt. Dieser Kalle mußte ein ziemlich durchgeknallter Typ sein. In seinen Augen paßte es einfach nicht zusammen, dass sie einerseits auf ihn hereingefallen war und andererseits Alex zutiefst verabscheute. Oder war das tatsächlich eine Folge ihres Irrtums?
Markus hatte nicht lange gebraucht, um Carmen ins Bett zu bekommen. Doch nachdem er die Vorgeschichte kannte, argwöhnte er, dass sie sich ihm hingegeben hatte, um Kalle zu vergessen. Sie wollte ihm und sich selbst beweisen, dass sie keineswegs auf ihn angewiesen war. Er selbst hatte nur als Mittel zum Zweck gedient. Er war gerade zur rechten Zeit in ihrem Leben aufgekreuzt und hatte sich angeboten, ihr zur Seite zu stehen. Sie hatte ihn benutzt, um mit dem Rest der Welt ins Reine zu kommen. Er fühlte sich genauso verraten wie damals von Cindy, die sein Kind hatte abtreiben lassen.
Er mochte Carmen wirklich. Wahrscheinlich liebte er sie sogar. Und bislang war er sich auch ihrer Liebe sicher gewesen. Er unterstellte ihr nicht, dass sie ihn betrogen hatte. Er glaubte eher, dass sie bei ihm Halt suchte, um zu vergessen und sich deshalb so schnell auf eine Beziehung mit ihm eingelassen hatte.
Carmen schluchzte immer noch leise vor sich hin. Er streichelte ihr braunes Haar. Er wußte nicht recht, wie es weitergehen, wie er sich ihr gegenüber verhalten sollte.
Im Nachhinein stellte er fest, dass es ihm lieber gewesen wäre, er hätte nichts von dieser verfluchten Geschichte erfahren.

© Ingrid Hartung