Glück auf Zeit 153


Kalle war am Heiligabend kurz nach 22 Uhr bei seinem Vater und Marika eingetrudelt, und er konnte von Glück reden, den Weg dorthin gefunden zu haben. Die beiden schienen erleichtert zu sein, als er auftauchte, doch sie spürten auch, dass es ihm nicht gut ging.
Sie saßen zu dritt auf der Couch. Im Fernsehen lief irgendein abgedroschener Spielfilm. Kalle nahm einen Schluck von der Bierflasche, obwohl Marika ihm ein Glas hingestellt hatte. "Das ist natürlich Pech für die Wehners." Er lallte leicht. "Erst ist Carmen von mir schwanger und verliert das Kind, und nun haben sie gleich den doppelten Dreck am Hals." Er lächelte arrogant. " Alex ist schon eine Kanone."
Marika unterbrach Kalle gereizt. "Wie meinst du das, Kalle?" Er goß sich einen Whisky ein. "Petra bekommt Zwillinge von ihm. Jedenfalls hat er mir das erzählt. Ich glaube es ihm auch, aber sie könnte die Babies ja immer noch verlieren. Aber ich denke, er wird Petra keinen Augenblick aus den Augen lassen. Er wird es besser machen als ich. Aber er hat natürlich auch eine breite Front gegen die er ankämpfen muß. Jedenfalls ist der arme Kerl nicht zu beneiden. Carmen wird zischen wie eine Schlange und ihre Mutter und Daniel mitreißen und ein Urteil über das Verhalten ihres Vaters wage ich mir nicht abzugeben. Allein Stephan hängt Petra am Rockzipfel und Alex vermutlich am Hosenbein."
Kalle legte sich der Länge nach auf den Fußboden. Er murmelte verzweifelt. "Ich habe Carmen heute gesehen, aber ich habe es vermasselt, gründlich vermasselt. Ich hasse mich dafür." Er drehte sich auf den Bauch und verbarg das Gesicht mit den Händen. Marika und Robert sahen sich bedeutungsvoll an. Marika ahnte, dass es schwer werden würde. Kalle war sich selbst sein ärgster Feind, und es würde lange dauern, bis er sich mit sich selbst versöhnen würde. Sie hatte gewußt, dass er nicht so leicht über Carmen hinwegkommen würde. Aber sie hatte nicht gedacht, dass es ihn so zerreißen würde. Und er war doch noch so jung.
Robert war bereits vor dem Fernseher eingeschlafen.

© Ingrid Hartung