Bluthochdruck

Ich hatte einen Termin um 17.30 Uhr bei meinem Hausarzt. Im Wartezimmer saß mir ein älteres Paar gegenüber. Es waren Herr und Frau Peters, die ich flüchtig kannte. Daneben saß eine alte Dame, die am Stricken war. Ein junger Mann saß neben mir und war in sein Handy vertieft.
Immer wenn ich zum Arzt gehe, nehme ich ein Buch mit. Die Illustrierten interessieren mich nicht. Die haben schon viele in der Hand gehabt.
Ich hatte mich gerade in mein Buch vertieft, als ich Frau Peters Stimme vernahm. Sie erzählte der strickenden Dame, dass ihr Mann schon in der Früh nicht mehr sprechen konnte und sein Gesicht schief war. Er war die ganze Nacht schon so unruhig. Mir stockte der Atem, als ich das hörte. Jetzt sah ich genauer hin. Der Mann hatte noch immer einen schiefen Mund und sein rechter Arm hing lose am Körper. Ich wurde aufgerufen. Ich sagte zu dem Paar: „Bitte gehen Sie. Sie haben es nötiger.“ Der Mann konnte nicht mal mehr richtig gehen.

Die alte Dame hatte ihr Strickzeug eingepackt und sah mich entsetzt an: „Der Mann hatte doch einen Schlaganfall und das hat seine Frau nicht bemerkt? Verstehen Sie das?“
Ich schüttete nur mit dem Kopf. Der junge Mann neben mir starrte noch immer auf sein Handy.
Im Wartezimmer hörten wir die laute Stimme des Arztes. Er macht Frau Peters schwere Vorwürfe. Kurze Zeit später hörten wir das Martinshorn. Der Krankenwagen hielt vor der Praxis und Herr Peters wurde in die Klinik gefahren.

Nun wurde ich aufgerufen. Als mein Arzt meinen Blutdruck maß, sah er mich an und sagte: „Frau Leding, Ihr Blutdruck ist aber sehr hoch. Sie haben doch immer mit niedrigem Blutdruck zu tun.“ Ich erzählte ihm, dass mich das ältere Paar so aufgeregt hat. „Ich verstehe. Ich habe mich auch aufgeregt. Wie kann man so naiv sein. Wollen wir hoffen, dass es Herr Peters überlebt.“

Drei Tage später stand die Todesanzeige von Herrn Peters in der Zeitung.

© Anneliese Leding-Albani


Es ist eine wahre Geschichte. Als ich Gabis Geschichte beim Zahnarzt las, fiel sie mir wieder ein.