Der neue Friedhof

Bevor Frank starb, war ich noch nie auf einem Friedhof in Enersberg gewesen. Unsere Eltern sind in Ostdeutschland, unserer alten Heimat begraben.
Unser Sohn war es, der den neuen Friedhof als Franks letzte Ruhestätte empfahl. Bei schönem Wetter hat man am Eingangstor einen grandiosen Bergblick auf den Wendelstein und seine Gefährten.

Franks Grab befindet sich unterhalb der Friedhofshalle unter einer Buche, die im Herbst nicht nur lästiges Laub, sondern auch Bucheckern zur Dekoration spendet.
Als wir Frank beerdigten, hatte er nur zwei Nachbarn. Inzwischen hat sich die Reihe gefüllt, zu seiner Rechten liegt die Großmutter einer der besten Freunde unseres Sohnes, wo wir zuweilen ein paar Sonnenblumen niederlegen, weil der Opa sie so mag. Auf der Reihe vor Franks Grab gibt es seit kurzem das Grab eines Kindes, das nur wenige Wochen alt wurde. Gleich neben Frank ist eine ältere Frau begraben, mit deren Ehemann, der so oft ganz verloren davor steht, wir schon oft nette Worte gewechselt haben. Den Namen fand ich am Volksfestplatz wieder, wo Bewohner der Stadt Ebersberg Baumstämme zur Verschönerung der Landschaft gesponsert hatten.

Am meisten beeindruckt war ich, im letzten Jahr zur Adventszeit von den vielen Lichtern, die auf den Gräbern leuchteten. Die dezent geschmückten Tannenbäume, soviel Liebe an einem Ort, der uns die Vergänglichkeit des Lebens zeigt, und dennoch das Licht in unserem Herzen erstrahlen lässt.

Auf Franks Grab steht ein Grablicht mit der Inschrift "Am Ende des Regenbogens sehen wir uns wieder."

Seit seinem Tod haben wir häufig einen Regenbogen gesehen. Ich glaube daran aus ganzem Herzen.

Und die Hoffnung stirbt zuletzt.


© Ingrid Hartung