Ich kannte ihn schon länger. Er war weit aus dem Süden nach Deutschland gekommen, um hier einer einfachen Arbeit nachzugehen. Er hoffte, in dem fremden Land Ruhe zu finden und ein kleines Glück machen zu können. Es dauerte Monate, bis er seine junge Frau nachholen durfte. Er arbeitete im Schlachthof. Seine Schicht begann sehr früh am Morgen. Meist noch bei Dunkelheit. Es war eine harte und hässliche Arbeit. Er stand dabei mit Gummistiefeln unter freiem Himmel im verwässerten Blut, in den Ohren die Todesschreie der Schweine. Er klagte nie. Er und seine Frau hatten ihr Auskommen. Sie waren in Sicherheit und mussten nicht mehr, wie in ihrem Heimatland, Verfolgung wegen ihrer Religionszugehörigkeit befürchten. Im Laufe der Jahre kamen sechs Kinder zur Welt. Das Paar erzog sie in Liebe und Gottesfurcht, schickte sie erst zur Grundschule, später zum Gymnasium. Der Vater stand weiterhin frühmorgens in Gummistiefeln im Schlachthof. Seine Frau erzählte nur sehr vertrauten Personen, wie schwer ihm die Arbeit falle. Alle Kinder legten die Reifeprüfung ab, und als auch das letzte Familienmitglied die deutsche Staatsbürgerschaft erhielt, lud die Familie einige Bekannte und Freunde zu einem kleinen Fest in ihre bescheidene Behausung ein. Die Zeit ging dahin. Ich verlor die Familie aus den Augen. Der Zufall wollte es, dass ich dem Ehepaar nach vielen Jahren bei einem Gang durch die Stadt begegnete. Die Freude der beiden, mich zu sehen, war ehrlich und groß. Er sei Rentner, lange schon, erzählte der Mann. Die Kinder? Alle gut versorgt. Es gäbe etliche Enkelkinder. Alles in Ordnung, alles gut. Nur manchmal, gestand er mir in alter Vertrautheit, vermisse er die Heimat. Er sah mich bei diesen Worten offen an, und in seinen alten, müden Augen meinte ich einen unbeschreiblichen Schmerz zu erkennen.
ob die Flüchtlinge, die heute zu uns kommen, nach vielen Jahren sagen können: " Alles gut, alles in Ordnung!"? Wir können dazu beitragen, doch die Sehnsucht nach der alten Heimat kann ihnen niemand nehmen.
Deine Geschichte gefällt mir sehr gut. Ergreifend schilderst Du die Not eines Familienvaters, der für die Seinen Tag für Tag der ungeliebten Arbeit nachkommt, trotz allem dankbar ist und seine heimliche Sehnsucht nach der Heimat versteckt. Dankeschön.
eine Geschichte zum Nachdenken und es ist sehr traurig, dass sich Menschen zwischen Sicherheit und sogenannter Heimat entscheiden müssen. In Wirklichkeit sind wir ja alle Wanderer durch die Weiten, nur finden wir in unseren Erinnerungen nichts davon. Es ist zu lange her.
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