Glück auf Zeit 479


Kalle war seit dem Treffen mit Carmen in der Fränkischen Schweiz vor gut drei Wochen mit keinem anderen Mädchen ins Bett gegangen. Das roch gewaltig nach Rekordzeit und hätte eigentlich belohnt werden müssen, doch stattdessen ließ Carmen nichts mehr von sich hören, und Alex hatte ihn wissen lassen, dass der berüchtigte Bayern-Depp ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte. Er hatte ihr leichtfertig versprochen, sich aus ihrem Leben herauszuhalten, sobald sie verheiratet wäre, in der Hoffnung, dass ihn ihn zu sehr liebte, um Markus' Heiratsantrag anzunehmen. Aber danach sah es nicht aus. Sie hatte sich nicht wieder bei ihm gemeldet. Vielleicht war sie froh, wenn er aus ihrem Leben verschwand.
Carmen hatte immer geordnete Verhältnisse gewollt. Vielleicht kam ihr die Hochzeit mit diesem Bayern-Depp gelegen. Vielleicht war er für sie nur eine Affäre gewesen, vielleicht hatte er sich nur eingeredet, er würde ihr etwas bedeuten. Sicher waren diese Zeiten längst vorbei. Er sollte endlich beginnen, in der Gegenwart zu leben statt der Vergangenheit nachzutrauern.
Am Sonntagnachmittag hatte er seinen Vater und Marika besucht. Die beiden schienen, wie er mit Genugtuung feststellte, glücklich miteinander zu sein. Sie umarmten und küssten sich vor seinen Augen.
Als sein Vater im Wohnzimmer ein Telefongespräch führte, war Marika ihm um den Hals gefallen. "Ach Kalle, ich bin so froh, dass du uns wieder zusammengebracht hast. Wir sind so glücklich miteinander." Kalle hatte sie liebevoll an sich gedrückt. "Das freut mich, Marika."
In diesem Moment trat sein Vater in die Küche und brüllte ihn an. "Du fieser Kerl! Versuchst du schon wieder, mir meine Frau auszuspannen?" Marika wich erschrocken von Kalle zurück. Der stammelte verlegen. "Pa, das ist ein Missverständnis." Doch Robert holte mit seiner rechten Hand aus und verpasste Kalle eine gehörige Ohrfeige.
"Du hast deinen Sohn geschlagen.", stammelte Marika fassungslos. Robert stellte sich breitbeinig vor seinen Sohn und Marika. "Ja, und er hat es auch verdient. Frag ihn doch selbst!" Ehe Marika Kalle etwas fragen konnte, hatte er sich abgewandt und gesagt. "Ich glaube, es ist besser, wenn ich jetzt gehe." Und dann war er verschwunden.
Offensichtlich hatte er es nun auch mit seinem Vater und Marika verdorben. Robert würde Marika erzählen, dass er mit Cordula eine Affäre gehabt hatte, und das konnte selbst sie nicht verstehen. Sie würde ihn abschreiben, genau wie Carmen, sein Vater und seine Mutter es durch ihren Tod getan hatte.
Ihm blieb nur noch Alex, aber auf ihn war auch kein Verlass, weil er in der ständigen Angst lebte, seine Ehe könnte zerbrechen, was sie vielleicht unter den gegebenen Umständen vielleicht auch bald tat.
Sein Vater war genau so ein Idiot wie er selbst, er deutete gewisse Situationen immer falsch. Kalle musste von Carmen loskommen. Er konnte sie nicht zurückgewinnen. Sie hatten sich beide verändert. Nun gut, sie hatten miteinander geschlafen, aber wahrscheinlich hatte es ihr nichts bedeutet. Er war auf der Strecke geblieben. Er musste einiges regeln. Er hatte plötzlich den Wunsch, den Menschen, die er liebte, etwas wert zu sein.

© Ingrid Hartung