Kunibert würde es nicht mehr lange machen! Seine Gebrechen mehrten sich derart, dass sein Ende drohte. Die Familie meinte zwar, einem Auto, das so treu gedient habe, gebühre der Ruhestand; dennoch mochten nicht alle an Abschied denken, denn Kunibert gehörte zu ihrem Leben. Kunibert war immer dabei! Kunibert wurde geliebt. Selbst seine Mucken. Und Kunibert liebte sie. Ihn, der vor jeder Fahrt die Motorhaube aufriss, um scheinbar sachkundig Kontrollen vorzunehmen, obgleich er von Motoren absolut nichts verstand. Sie, die sie Kunibert einmal fast den Garaus gemacht hätte, weil sie das längst fällige Nachfüllen von Öl vergaß. Er konnte die Maschine vor einem Kollaps in letzter Minute retten. Damals vernahm Kunibert den ersten Ehekrach. Kunibert schaukelte den Stammhalter stolz zur Einschulung und mit gebrochenem Bein zum Unfallarzt. Er keuchte unter der Last von Kartons bei der Übersiedlung ins eigene Haus. Er sah Rom bei Nacht und, in Kissen gepackt, ein kleines Mädchen, gerade ein paar Tage alt. Ein Jahr kam, viele Jahre kamen. Eines Tages trug sie eine Brille. Längst war Kunibert mit Kratzern und Dellen übersät. Immer öfter mussten ihm Teile eingesetzt werden. Auf langen Strecken geriet er außer Puste. Sein Lack glänzte schon lange nicht mehr. Eines Tages dann gewahrte es Kunibert selbst: Er roch nicht nur alt, er war alt. Und müde dazu. Er fürchtete Schlaglöcher, Steigungen frostige Winternächte, die Konkurrenz der Neuen, Inspektionen, bei denen das Nachlassen seiner Kräfte und schließlich sein hoffnungsloser Zustand festgestellt wurde. Dennoch war er zufrieden. Mehr als dreizehn Jahre unermüdlicher Einsatz, das ist wahrlich ein erfülltes Autoleben! Aus matt gewordenen Augen schaute er auf die, welche seinem Dasein Sinn gegeben hatten. Auf die Frau, deren Gesichtshaut erste Falten zeigte. Auf den Mann, dessen Haupthaar sich gelichtet hatte und der morgens schon lange nicht mehr fröhlich pfiff. Auf den schlaksigen Halbwüchsigen, der seine eigenen Gedanken und Wege hatte. Auf das junge Mädchen, das er – ihm war, als sei es gestern erst gewesen – sanft gewiegt hatte und das nun maulte, ihre Freundinnen führen in neuen, schöneren und schnelleren Autos. Auf das Haus, das bereits Spuren des Alters zeigte. Auf den herrlichen Garten, in dem gerade die Frühlingsblumen blühten wie in jedem Jahr um diese Zeit. Der Abschied war kurz. Als die Winde Kunibert hochzog, meinte er Beschämung in den Augen seiner Lieben zu sehen. Quietschend und scheppernd landete er auf der Ladefläche des Transporters und wurde in Ketten gelegt. „Mir war, als hätte er geseufzt“, sagte die Frau.
fabelhaft hast Du hier ein Autoleben beschrieben. Ich habe es mit Begeisterung gelesen, weil auch ich immer eine besondere Liebe zu meinen Fahrzeugen hatte. Auch glaube ich, dass man an seinem ersten Auto ganz besonders hängt.
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