Glück auf Zeit 112


Alex sank jeden Abend, meist war es nach 22 Uhr, erschöpft auf sein Bett. Da er am ersten Abend gute Erfahrungen mit der Flasche Whisky, die ihm Kalle mitgegeben hatte, erzielte, legte er sich einen Vorrat von zwei weiteren Flaschen an. Jeden Abend, wenn er von Arbeit kam, manchmal etwas gegessen und immer geduscht hatte, genehmigte er sich ein paar Gläschen des göttlichen Gesöffs. Es beschwingte ihn und half ihm, die heftigen Gedanken an Petra zu verdrängen, er begann zu ermüden. Er war ausgelaucht und außerstande, seinen Gefühlen Herr zu werden. Er war besessen von ihr, aber insgeheim ahnte er, dass er nicht der einzige war, der Petra liebte. Er war der Meinung, dass zumindest der Blonde mit seinen Lippen länger auf ihrer Wange verweilt war, als es lediglich freundschaftliche Gefühle erlaubten. Der Kerl war auch noch größer und attraktiver als er selbst, und Petra hatte auf seinen Brief noch nicht reagiert. Er war eisern, er ließ sein Handy ausgeschalten. Es sollte ihn niemand erreichen.
Alex bemerkte erschrocken, dass er bereits das 5. Glas Whisky in sich hineingeschüttet hatte, allmählich war er etwas benommen, und in diesem Zustand fragte er sich, warum er sich das alles antat. Weshalb hatte er sich so bedingungslos auf diesen Job hier eingelassen, der ihn weiter denn je von Petra entfernte. Wahrscheinlich wollte er ihr beweisen, dass er viel besser allein zurecht kam, aber diese Rechnung ging nicht auf. Er vermißte sie so sehr, dass es schmerzte. Und er mußte sich eingestehen, dass seine nahezu krankhafte Eifersucht nur Nachteile gebracht hatte.
Warum hatte sie nicht auf seinen Brief geantwortet? Im selben Moment wurde ihm klar, dass er noch gar keine Antwort erwarten durfte. Er hatte seinen Brief erst gestern abgeschickt. Alex nahm sich vor, etwas zu tun, dass Petra gefallen würde. Er wollte das Fitnessstudio aufsuchen, und er würde sich einen Schnauzer stehen lassen. Er wollte ihr mit ganzer Kraft beweisen, dass er der Mann war, den sie wirklich wollte.

© Ingrid Hartung