Glück auf Zeit 103


Carmen sah noch einmal in den Spiegel. Sie hatte soeben etwas Lidschatten, Make up und Lippenstift aufgetan. Das war bis vor kurzem nicht ihr Stil gewesen. Doch seit sie Markus kannte, hatte sich einiges verändert. Er erwähnte nur einmal, dass sie bestimmt noch hübscher aussehen würde, wenn sie ihr zartes Gesicht betonen und farblich abheben würde. Sie hatte natürlich sofort verstanden, was er damit sagen wollte. Am nächsten Tag war sie in den Friseursalon, der sich unten im Nebenhaus ihrer Wohnung befand, und hatte sich einer Kosmetikberatung unterzogen. Seither schminkte sie sich häufig, zumindest immer dann, wenn sie Markus traf, und der hatte es wohlwollend zur Kenntnis genommen, und ihr jedes Mal ein Kompliment gemacht.
Da er bisher immer pünktlich gewesen war, würde es bald läuten. Sie betrachtete noch einmal ihr Grsamtbild, und sie war mit ihrem Aussehen recht zufrieden. Sie trug die Haare offen, ein schwarzer Samthaarreifen hielt sie zusammen. Da es draußen bereits kalt war, hatte sie braunen Westover, den ihre Mutter gestrickt hatte, über die weiße Bluse gezogen. Dazu passte die hellbraune Jeans, die wie angegossen daß, hervorragend. Sie meinte, dass sie sich so durchaus Markus' Familie präsentieren konnte.
Sie hatte den Gedanken kaum zu Ende gebracht, als es klingelte. Da sie allein in der Wohnung war und außerdem wußte, dass es nur Markus sein konnte, öffnete sie die Tür. Er stand strahlend vor ihr, musterte sie kurz, betrat den Flur und schloß die Tür mit einer Hand, mit der anderen zog er sie an sich und küßte sie innig. Dann strich er ihr sanft über das braune Haar. "Du siehst wunderschön aus, mein Schatz. Meine Brüder werden vor Neid erblassen, wenn sie dich zu Gesicht bekommen." Carmen lächelte zufrieden. "Nun übertreib nicht so maßlos!", versuchte sie einzulenken. "Du wirst es ja selbst sehen! Wenn meine Eltern nicht so viel Wert auf Pünktlichkeit legen würden.." Er zog sie erneut fest an sich, und sie spürte seine Gefühlsregung deutlich. "Was dann?", fragte sie provozierend. Er hauchte ihr ins Ohr. "Dann würde ich dich jetzt sofort überwältigen." Sie verharrten eine kurze Weile engumschlungen. Dann wandte er sich kurzentschlossen ab. "Ich hole nur noch schnell meine Tasche.", sagte sie und begab sich in ihr Schlafzimmer. Er war ihr dankbar und ging ins Bad, um sich zu aklimatisieren.
Sie mußten gleich losfahren, um nicht zu spät zu kommen. Er wollte, dass sie bei seinen Eltern einen guten Eindruck hinterließ. Er hatte diesbezüglich auch keine Bedenken, aber pünktlich sollten sich schon sein.

© Ingrid Hartung