Glück auf Zeit 100


Petra hatte das Gefühl, dass Oli sie mehr mochte, als seine flüchtigen Freundschaftsküsse es preisgaben. Sie hatte sich mit Oli, Frank und Caro verabredet, um die berüchtigte Projektarbeit fertigzustellen. Sie trafen sich in der Wohnung der Mädchen. Zur Begrüßung küßten sie sich wie gewohnt auf die Wange. Eigentlich hatten sie wirklich vor, sich der Projektarbeit zu widmen, doch plötzlich erklärten Frank und Caro dass sie viel lieber ins Kino gehen wollten, zumal der heißersehnte Film die letzte Woche lief.
Oli schien das nicht weiter zu stören. Er rückte näher an Petra heran, die auf der Couch saß. "Petra, ich möchte dir etwas gestehen.", begann er zögernd. Sie ahnte bereits, worauf er hinauswollte. Oliver war ein attraktiver, junger Mann, mußte sie zugeben, und vielleicht hätte sie sich in ihn verlieben können, wenn sie nicht vorher Alex begegnet wäre. Alex, der seit dem letzten Wochenende nichts mehr von sich hören ließ, und der sein Handy ausgeschalten hatte.
"Petra, ich liebe dich. Ich möchte mit dir zusammen sein." Petra war so tief in Gedanken an Alex versunken, dass ihr die Bedeutung seiner Worte erst im Nachhinein klar wurden. "Oli", sagte Petra leise. "Ich finde dich sehr nett. Aber ich bin mit Alex zusammen. Das weißt du doch." Er strich ihr sanft über das blonde Haar. "Petra, du solltest besser aufpassen, in wen du dich verliebst. Dieser Kerl ist doch nichts wert!" Petra erhob sich, um einer weiteren Berührung seinerseits zu entgehen. "Wie kannst du das behaupten. Du kennst Alex doch gar nicht." Alex grinste wohlwissend. "Petra, Typen, die so aussehen wie dein geliebter Alex haben nur eins im Sinn. Sie müssen ihre körperlichen Bedürfnisse befriedigen. Wo ist er denn jetzt? Caro hat gesagt, er würde die nächsten Wochen in Köln arbeiten. Meinst du vielleicht, er ist dir treu? Ich gebe ihm drei Tage und er vögelt jede, die ihm unterkommt. Er nimmt doch bestimmt potenzsteigernde Mittel..." Weiter kam Oli nicht, denn er fühlte Petras Hand schmerzend auf seiner Wange. Sie funkelte ihn böse an. "Was fällt dir ein, so über Alex zu reden. Verschwinde, mach, dass du rauskommst. Ich will dich nicht mehr sehen." Sie öffnete demonstrativ die Tür zum Flur. "Du bist total verblendet, Petra. Der Typ ist doch völlig unter deinem Niveau. Willst du ihm wirklich nachlaufen?" Sie wies ihn zur Tür. "Ich laufe ihm nicht nach. Wir lieben uns. Und jetzt verschwinde gefälligst!" Er ging langsam zur Wohnungstür. Dort angekommen, drehte er sich noch einmal zu ihr um und lächelte sanft. "Wenn du es dir anders überlegen solltest, lass es mich wissen. Ich mag dich wirklich." Sie sah ihn entgeistert an und öffnete die Wohnungstür. "Geh bitte!", flehte sie ihn an. Sie wollte nur noch, dass er ging. "Ciao, bis morgen!", hörte sie ihn noch sagen, als er die Treppen hinunterging. Sie schlug die Wohnungstür zu und atmete erleichtert auf.

© Ingrid Hartung