Glück auf Zeit 82


Und Carmen sah ihn tatsächlich wieder, als er die DVD zurückbrachte. Sie saß an ihrem Computer, und er ging mit einem Lächeln, das umwerfend war, auf sie zu. "Ich wollte diese DVD zurückgeben." Er legte die DVD auf den Tisch, und als ihre Hand danach griff, legte er seine darauf. "Wenn Sie schon nicht mit mir die DVD ansehen wollen, darf ich Sie dann wenigstens zu einem Kinobesuch einladen?" Er sah sie mit seinen tiefblauen Augen bittend an. Carmen spürte, wie es ihr durch Mark und Bein ging. Sie konnte es einfach nicht fassen, dass dieser hübsche, junge Mann sie einlud, mit ihr den Abend zu verbringen, und wenn sie ehrlich war, konnte sie diesem Angebot kaum widerstehen, aber ihr Verstand gebot ihr, vorsichtig zu sein. Er war ein Mann, genau wie Kalle, der sie so bitter enttäuscht hatte, und es tat immer noch weh.
Er schien zu bemerken, dass sie in Gedanken war und streckte ihr seine Hand hin. "Lassen wir die blöde Anrede. Ich heiße Markus, Markus Obermaier." Carmen richtete ihre rehbraunen Augen auf ihn. "Ich bin Carmen Wehners.", erwiderte sie schüchtern. "Und was wird nun mit dem Kinobesuch? Du darfst dir auch den Film aussuchen." Carmen zögerte. "Gibt es denn in Grafing überhaupt ein Kino?", fragte sie, um Zeit zu gewinnen. "Das gibt es zwar", antwortete er. "Aber ich würde mit dir natürlich lieber nach München oder zumindest nach Erding fahren. Da ist einfach mehr los." Er sah ihr tief in die Augen. Sie wich seinem Blick und suchte nach Ausflüchten. "Ich habe nächste Woche wirklich keine Zeit.", beteuerte sie. Er schüttelte amüsiert den Kopf und lächelte. "Warum weichst du mir aus?", fragte er. "Bist du schon vergeben?" "Nein", gestand sie leise. "Das ist es nicht. Ich brauche nur etwas Zeit." Er setzte erneut sein verführerisches Lächeln auf. "Lass mich nicht zu lange warten, Carmen!", sagte er mit einem gebieterischen Unterton in der Stimme, der sie erschrecken ließ.
Er wandte sich ab und verließ eilig das Bibliotheksgebäude.
Als Carmen nach Dienstschluß in ihr Auto steigen wollte, gewahrte sie einen Strauß weinroter Rosen auf der Motorhaube ihres Opels. Daran war ein kleines Kärtchen geheftet. Darauf stand. "Bis bald! Markus"
Carmens Augen füllten sich mit Tränen. Der Rosenstrauß von Kalle war längst verwelkt.

© Ingrid Hartung