Verwandte Seele

Die kleine Lisa drückt ihr Näschen an den Schaufensterscheiben in der Fußgängerzone platt. Was es da nicht alles zu sehen gibt? Handys, Smartphones, Fernseher und Videospiele, die ihr älterer Bruder so gerne haben möchte. Plüschtiere in allen Größen und Farben. Playmobil, Lego, Puppenbuggys und viele Zootiere aus Kunststoff. Eine elektrische Eisenbahn dreht ihre Runden. Zwerge winken ihr zu... „Affig!“, denkt das Kind und schlendert weiter. Der Duft frisch gebrannter Mandeln weht zu ihr herüber. Ein Leierkastenmann zieht sie für kurze Zeit in seinen Bann. Auf dem Marktplatz tummeln sich Tauben und lassen sich gerne von ihr füttern. Mama ruft sie zu sich und kommt ihr schon mit einem Paradiesapfel entgegen. „ Lisa, schau, was ich für dich habe. Gefällt es dir auf dem Weihnachtsmarkt?“
„Ja schon, aber ich habe kalte Füße und Hunger auf was Salziges. Können wir nicht in ein Restaurant gehen und was essen? Auf Bratwurst mit Pommes von der Bude habe ich keine Lust.“ So gehen sie in die Passage eines großen Kaufhauses und essen ein Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat. Das ist nämlich Lisas Lieblingsspeise.
Nach dieser Stärkung werden ihre Lebensgeister wieder geweckt. Leider sind hier sehr viele Leute mit großen Taschen voller Geschenke und das kleine Mädchen muss aufpassen, dass sie die Mutter in dem Gewühl nicht verliert. „Mama, was kriege ich eigentlich zu Weihnachten? Hast du schon was ausgesucht? Ich wünsche mir die Gaby!“ „Die Gaby, was ist denn eine Gaby? Du meinst wohl eine Barbie?“

„Nö, ich bin doch nicht doof, ich weiß doch, was ´ne Barbie ist. Die Gaby ist ein blondes Püppchen mit ganz wunderschön tollen lieben braunen Kulleraugen und einem soooo ssssüüüüßen Gesicht! Sie sitzt beim Secondhandshop Lüchters im Schaufenster und ist auch gar nicht mehr neu, aber sie ist eine verwandte Seele. Mama, eine verwandte Seele ist doch jemand, den man ganz gerne mag, nicht. Das habe ich neulich im Fernsehen gehört. So eine verwandte Seele wünsche ich mir! Die versteht mich schon, wenn ich noch nicht mal den Mund aufgemacht habe. Das können verwandte Seelen echt, kannste mir glauben....“

© Sabine Brauer