Das lächelnde Schäfchen

Das Schäfchen war sehr jung. Es stand noch nicht lange mit seinen Geschwistern auf der Wiese, doch bereits jetzt fand es alles hier wunderschön. Das Grün des fetten Grases, den mit Glucksen dahin eilenden, klaren Bach, das Blau des weiten Himmels und die goldene Sonne. Der alte Schäfer betrachtete das kleine Tier. Dann schüttelte er den Kopf. Nein, das konnte nicht sein! Tiere lächeln nicht! Es schien aber so, als lächele das Schäfchen. Viele Male am Tag. Einmal kam ein Wandersmann daher. Er sah das Schäfchen lange nachdenklich an. Dann schüttelte auch er den Kopf. Nach einer Weile fragte er: "Warum lächelst du, kleines Schaf?“ „Weil ich hier sein darf und glücklich bin!“, antwortete das Kleine. „Der Herrgott hat mir dieses Lächeln geschenkt so wie auch mein wolliges Kleid.“ Da schüttelte der Wanderer noch einmal mit dem Kopf, und er war voller Staunen. Er hatte nicht bemerkt, dass es nicht das Schäfchen war, das ihm geantwortet hatte, sondern das Rauschen des Windes.

© Jutta Gornik