Deja vu

Ich freute mich, dass die Lesungen wieder stattfanden, wenn auch nicht mehr im Kitchen am Harras, sondern in der Buchhandlung Buch & Bohne am Kapuzinerplatz. Und da Thomas Lang aus seinem Buch "Immer nach Hause", einem Roman über den jungen Hermann Hesse lesen würde, gab es für mich keinen Zweifel, dass ich unbedingt dabei sein musste. Ordnungsgemäß meldete ich an. Und ich fuhr an jenem Abend bis zum Goetheplatz und rannte dann dreimal im Kreis, ehe ich die Buchhandlung fand. Ich war trotzdem eine halbe Stunde zu früh da. Aber ich wurde eingeladen, doch am Tisch Platz zu nehmen und zu schmökern. Die Lesung war toll. Und das Ambiente gefiel mir sehr gut. Es wäre der geniale Ort, an dem unser Sohn, der gelernte Buchhändler, arbeiten sollte. Ich war versucht, die Chefin zu fragen, ob sie nicht jemanden suchte. Aber ich traute mich nicht. Der Rückweg war leider etwas ernüchternd. Obwohl ich die U-Bahn rennend noch erreichte, fuhr mir die S-Bahn am Marienplatz vor der Nase weg, so dass ich 20 Minuten auf die nächste warten musste, die dann auch nur bis Grafing Bahnhof fuhr. Dort wartete ich nochmals 20 Minuten auf die S-Bahn, die mich tatsächlich nach Hause brachte. Mein Mann war schon im Bett, aber unser Sohn war noch wach. Ich erzählte begeistert von meinem Ausflug zu der Lesung. "Wie heißt die Buchhandlung, wo Du warst?", fragte er. Sein Blick verriet Verwunderung. "Buch und Bohne.", sagte ich. "Ich glaube, dass Bohne steht für Kaffee, den sie da auch anbieten." Drei Tage später eröffnete er uns, dass er am Dienstag eine Probearbeitstag in eben dieser Buchhandlung bestreiten wird. Ich hoffe, es geht positiv für ihn aus. Ich wünsche es ihm so sehr. Obwohl ich auch ein klein wenig neidisch bin. Ich würde auch lieber in einer Buchhandlung arbeiten, statt mich um die Buchhaltung von vier Apotheken, davon 3 Centerapotheken, in München kümmern zu müssen. Das tue ich seit 15 Jahren, aber eigentlich bin ich damit auch recht glücklich.

© Ingrid Hartung