Glück auf Zeit 410


Überraschenderweise war Alex bereits kurz nach 18 Uhr nach Hause gekommen. Er hatte Petra einen kleinen Strauß weinroter Rosen in die Hand gedrückt, eine Flasche Lagrein aus Südtirol, den Petra so gern mochte, mitgebracht und eine große Packung Merci-Schokoladenriegel. Petra hatte verwirrt den Kopf geschüttelt. "Alex, du musst dich irren. Ich habe erst im August Geburtstag." Er hatte die Geschenke auf der Garderobe abgelegt und sie zärtlich, aber fest umarmt. "Ich weiß Petra. Ich wollte einfach nur, dass wir zwei uns mal wieder einen gemütlichen Abend gönnen. Ich habe dich in letzter Zeit viel zu oft allein gelassen." Sie lächelte und drückte ihm einen dankbaren Kuss auf die Wange, ehe sie den Blumenstrauß in die Hand nahm. "Er ist wunderschön. Ich hole nur rasch eine Vase." Damit verschwand sie im Wohnzimmer, während Alex erst einmal die Treppen zum Kinderzimmer hinaufstieg, um seine Kinder zu begrüßen.
Katrin schlief friedlich in ihrem Bettchen, während Kai zu weinen begann, als Alex auf ihn herabblickte. Er streichelte seinem Sohn sanft das rotblonde Haar. "Was hast du denn, mein Kleiner?", fragte er mitfühlend. Doch Kai schrie ungeachtet dessen noch lauter. Alex schüttelte resigniert den Kopf. Es war nicht das erste Mal gewesen, dass sein Sohn so reagierte. Es geschah immer häufiger. Er hob das Baby aus seinem Bett und nahm es zärtlich in seine Arme. Kais Stimme wurde noch lauter, und sein Kopf errötete vor Anstrengung.
Unterdessen stand Petra in der Tür. "Gib ihn mir, Alex. Vielleicht ist seine Windel voll, und er fühlt sich deswegen nicht wohl. Ich wickle ihn neu." Petra wusste, wie sehr sich Alex grämte, wenn er seine Kinder nicht beruhigen konnte, zumal es ihm bei Katrin meist rasch gelang. Er gab Kai seiner Mutter in die Arme, der sofort verstummte. Verärgert, damit Petra sein enttäuschtes Gesicht nicht sah, wandte er sich ab und blickte noch einmal in das Bettchen seiner Tochter, die vom Gebrüll ihres Bruders wach geworden war und Alex bettelnd anlächelte, als wollte sie ihn für Kais Verhalten entschädigen. Er wiegte sie in seinen Armen, bis Petra mit Kai wieder das Zimmer betrat. "Er war völlig nass. Kein Wunder, dass er sich so aufgeführt hat.", meinte sie, um Alex bei Laune zu halten.
Sie hatte Kais Windel nicht einmal wechseln müssen."
"Was meinst du Alex, wollen wir nicht noch einen Spaziergang mit den beiden machen, wenn du schon einmal so zeitig daheim bist.", fragte Petra erwartungsvoll. "Aber gern.", erwiderte Alex. "Dann schlafen sie nachher vielleicht besser und stören unseren gemütlichen Abend nicht.", wagte er zu hoffen. Sie waren mit den Kindern draußen, bis es dämmerte und nachdem sie die beiden fürs Bett fertiggemacht und ihnen die Flasche gegeben hatten, hörten sie tatsächlich keinen Laut mehr aus dem Kinderzimmer.

© Ingrid Hartung