Glück auf Zeit 355


Während sich Markus mit Carmens Eltern über die Autobranche unterhielt, hatte sich Carmen ihren kleinen Bruder Daniel vorgeknöpft. Nach der herzlichen Begrüßung hatte sich Daniel diskret in sein Zimmer zurückgezogen. Doch Carmen musste unbedingt mit ihm reden. Also trat sie ein, ohne anzuklopfen. "Hallo Bruderherz, na wie geht es dir so?", fragte sie unvermittelt. Daniel klickte die Internetseite, auf der er gerade surfte, weg und lächelte seine Schwester verführerisch an. "Es könnte mir nicht besser gehen, Carmen, obwohl ich dich und deine klugen Ratschläge sehr vermisse.", gestand er.
Carmen trat auf ihn zu. "Sag mal, Dani, ist es wahr, dass du versucht hast, Astrid in deinen Bann zu ziehen?" Wütend musterte Carmen ihren Bruder. Dani seufzte. "Ich sehe ja ein, dass es ein Fehler war. Aber anfangs dachte ich ehrlich, dass ein Mädchen wie Astrid doch Stefan nicht wirklich gern haben kann. Ich wollte ihr zeigen, dass sie etwas Besseres als meinen öden, langweiligen Bruder haben könnte." Er winkte ab. "Aber das will sie offensichtlich gar nicht. Verdammt", er steckte sich eine Zigarette an und blies den Rauch genüsslich ins Zimmer. "Es gibt doch so viele willige Weiber, und ich bin tatsächlich nicht auf die Braut meines Bruders angewiesen."
Carmen war über die Worte ihres Bruders und die Art und Weise, wie er sie aussprach, entsetzt. Sie wurde wütend, weil er so selbstgefällig war. "Wie kannst du nur so denken, Dani? Und was hat du eigentlich zu Alex gesagt, dass er so brutal auf dich eingeschlagen hat?" Dani grinste. "Ich glaube, es ist besser, wenn du das nicht weißt. Ich werde es dir jedenfalls nicht sagen. Aber es hat auf jeden Fall gereicht. Er ist total ausgerastet und bei meinen Eltern tief in Ungnade gefallen. Das war mein Ziel. Papa hatte nämlich anfangs eine Schwäche für Alex. Er hat ihn respektiert. Aber ich glaube, die Zeiten sind vorbei. Inzwischen hat auch er eingesehen, dass Alex nur ein dummer Holzklotz ist. Jedenfalls sorgt er sich sehr um Petra."
Carmen legte ihre rechte Hand auf Danis Schulter. "Und wie geht es dir? Hast du inzwischen eine Flamme?" Carmen war bemüht, sich Danis Jargon anzupassen, doch der grinste nur frech. "Eine? Ach Carmen, mir liegt die ganze Welt zu Füßen. Ich kriege jede Frau, die ich will." Er küsste sie demonstrativ auf die Stirn. "Jede?", fragte Carmen schelmisch. "Jede, die ich will.", grenzte er diskret ein. "Und was ist mit Astrid?", wollte Carmen wissen. "Eine Frau, die zu meinem dämlichen Bruder steht, ist mir völlig gleichgültig.", erwiderte er hochnäsig. Carmen seufzte. "Ich wünschte, unsere große Schwester hätte eine bessere Wahl getroffen. Aber Alex ist wirklich das Letzte." Daniel nickte. "Da gebe ich dir Recht. Das nächste Mal, wenn ich an Alex gerate, wird er den Kürzeren ziehen. Das verspreche ich dir." Carmen umarmte ihren Bruder. "Ach Dani, ich habe immer gewusst, dass wir beide uns bedingungslos verstehen." Er küsste sie auf die Wange.

© Ingrid Hartung