Glück auf Zeit 328


Er hatte ihre Frage, ob er untreu war, nicht beantwortet. Er hatte sie dezent übergangen. Und dann hatte er sie angefleht, ihn nicht zu verlassen, weil er ohne sie nicht mehr leben könnte. Carmen war sich sicher, dass Markus sie betrogen hatte. Sie konnte zwar nicht sagen, wann und wo es geschehen war, aber sie wußte, dass es passiert war. Es wäre ihr lieber gewesen, sie hätte den Duft einer fremden Frau an ihm wahrgenommen. Sie wäre zornig geworden und hättte ihre Wut an ihm auslassen können. Aber so war es nicht gewesen.
Es war stillschweigend geschehen. 'Dust in the wind', dachte sie. Wir sind alle Staub im Wind.
Dieser verhängnisvolle Zettel von Nicky hatte Kalle damals in der Gartenlaube seines Vaters überführt. Er war ein Beweis für seine Untreue gewesen.
Markus hatte seinen Fehltritt, oder waren es mehrere, nicht einmal zugegeben. Das brauchte er auch nicht. Anders als Kalle hatte er alle Spuren sorgfältig verwischt. Markus würde man nichts nachweisen können, eher würde sich Carmen mit all ihren Anschuldigungen, die nichts als Indizien waren, lächerlich machen.
Und wenn sie ehrlich zu sich selbst war, wollte sie gar nicht wahrhaben, dass Markus auf Abwege gekommen war. Sie fragte sich nur weshalb, und was sie falsch gemacht hatte, dass es ihn zu einer anderen Frau trieb. Und wer war diese Frau? Sie war bestimmt reifer und älter als sie selbst. Diese Frau war garantiert erfahrener und interessanter als si, was die sexuelle Seite ihres Wesens anbetraf.
Carmen hatte keine Erfahrung darin, wie man einen Mann sexuell erregte, und Kalle war in dieser Beziehung rigoros gewesen. Augen zu und durch. Der Gedanke ließ sie erschauern.
Kalle hatte sie immer hart genommen, selbst wenn er zärtlich sein wollte. Sie hatte erst durch Markus erfahren, dass Sex auch etwas mit Zärtlichkeit zu tun hatte. Markus hatte eben schon viele Frauen gehabt. Schließlich war er
23 Jahre alt. Es war kein Wunder, dass Markus anderweitig Ausschau hielt. Was konnte sie ihm schon bieten? Sie hatte keine Ahnung, wie sie ihn glücklich machen sollte.

© Ingrid Hartung