Glück auf Zeit 312


Carmen entschied sich spontan, zwei Tage Urlaub zu nehmen und von Donnerstag bis Sonntag nach Leipzig zu fahren, um Petra und Daniel im Krankenhaus besuchen zu können.
Sebastian war nach drei Tagen plötzlich wieder auf Stinau aufgetaucht. Er hatte Anne einen Strauß roter Rosen mitgebracht, sie überschwänglich umarmt und seiner Tochter liebevoll den Kopf gestreichelt. Carmen freute sich für Anne, doch als diese ihr erzählte, dass Sebastian nur unter der Voraussetzung, dass sie auf das Klassentreffen verzichtete, zurückgekehrt war, stieß ihr das auf. Anscheinend wollte Seb Anne erpressen. Sie sollte nur das tun, was er für richtig hielt, und Carmen hatte gehofft, er hätte sich geändert. Dabei sah er wie eh und je nur seine Vorteile. Sie hatte nicht übel Lust, ihn zur Rede zu stellen, aber da Anne mit der Situation zufrieden schien, verzichtete sie darauf, die Vermittlerin zwischen den beiden zu spielen, zumal sie wußte, dass Markus das nicht gern sah. Er hielt sich lieber aus fremden Beziehungen heraus. Sie gingen ihn nichts an.
Seine Reaktion auf Alex' Attacke auf Daniel war eindeutig gewesen. "Alex wird schon wissen, warum er zugeschlagen hat, und Daniel hat sich wahrscheinlich genau das von ihm erhofft."
Carmen machte sich große Sorgen um ihre Familie. 18 Jahre lang waren ihre Eltern und ihre Geschwister ein Herz und eine Seele gewesen. Und nun folgte ein Tiefschlag nach dem anderen. Und sie war diejenige, die den Untergang eingeläutet hatte. Ihre Schwangerschaft und die Tatsache, dass sie das Baby verloren hatte, waren erstmalig der Grund zu ernster Besorgnis für ihre Eltern gewesen. Und ausgerechnet Petra, ihre scheinbar unfehlbare, perfekte Schwester hatte in aller Heimlichkeit einen Mann geheiratet, der sich als ein gewalttätiger Schläger erwies und sein Opfer war ausgerechnet Daniel, ihr jüngster Bruder.
Alex konnte von Glück reden, dass er einer Strafanzeige entging. Das hatte er ihrem Vater zu verdanken, der sicher Petra in ihrem Zustand schonen wollte. Wäre es nach ihrer Mütter, Daniel und ihr selbst gegangen, hätte sich Alex vor Gericht verantworten müssen.
Carmen hatte mit Daniel telefoniert, der eindeutig Alex die Schuld gab, dass ihre Familie nicht mehr zueinander hielt. "Ich bin so froh, dass du am Wochenende kommst, Carmen. Und ich wünschte, du wärst nie fortgezogen. Du hättest Petra bestimmt zur Vernunft bringen können.", hatte er gesagt. Doch Carmen wußte genau, dass er Unrecht hatte. Niemand hätte Ihr Schwester von Alex abbringen können.

© Ingrid Hartung