Glück auf Zeit 183


Carmen und Markus saßen auf der Sonnenterrasse der Masner-Hütte. Das Wetter war traumhaft. Die Sonne schien. Der Himmel war fast durchgängig blau. Carmen hatte ihre Lasagne bereits aufgegessen, während Markus noch an seinem Fitness-Salatteller kaute, wobei er ab und zu Carmen einen Happen zukommen ließ.
Er winkte die Kellnerin herbei und bestellte noch einen Jagatee für sich und einen Glühwein für Carmen. "Das ist schon die dritte Runde, und es ist erst Mittag. Heute ist Silvester. Wenn wir so weitermachen, schlafen wir ein, ehe die Silvesterparty steigt." Markus lächelte charmant. "Wir doch nicht, Carmen. Uns Haut nichts so schnell um. Übrigens, habe ich dir schon gesagt, dass du eine wunderschöne Schwester hast, obwohl ihr auf den ersten Blick nicht wie Schwestern ausseht." Carmen schnappte den Gabelhappen Tomate, den Markus ihr vor den Mund hielt. "Ich weiß, ich bin nicht wunderschön." , meinte sie schnippisch. Er entgegnete sanft. "Aber du hast das gewisse Etwas, das einen Mann automatisch anzieht. Alex scheint das in den Augen deiner Schwester auch zu haben. Aber ich als Mann kann es nicht erkennen. Vielleicht kannst du mir ja auf die Sprünge helfen, Schatz!"
Carmen nippte an ihrem Glühwein, den die junge Kellnerin soeben serviert hatte. "Tut mir Leid, ich verstehe meine Schwester in diesem Punkt überhaupt nicht. Ich bin eine Frau, aber ich kann an Alex nichts finden, was begehrenswert ist. Er ist einfach widerlich." Markus begriff nicht, warum Carmen diesen jungen Mann so drastig ablehnte. Er wollte sie aus der Reserve locken, weil er vermutete, dass es irgendeinen sehr persönlichen Grund für ihre Abneigung geben mußte. "Kannst du nicht etwas netter zu ihm sein, Carmen? Der arme Kerl traut sich ja kaum den Mund aufzumachen, weil du ihn ständig demütigst."
Carmens rehbraune Augen funkelten böse. "Er hat es nicht besser verdient, glaub mir das! Er ist ein fieses Schwein." Sie war wütend. Er nahm ihre Hand. "Woher weißt du das so genau, mein Schatz, hattest du etwas mit ihm?" Carmen lachte echoviert auf. "Glaubst du das wirklich! Oh nein, das ist es nicht. Es ist nichts direktes zwischen uns. Aber darüber möchte ich jetzt nicht sprechen. Genießen wir lieber den letzten Tag des Jahres. Wer weiß, was uns das nächste Jahr bringen wird..."
Mit einem Schlag wurde Carmen melancholisch, obwohl sie eben noch über alles erhaben schien. Markus ahnte, dass es irgendein dunkles Geheimnis gab, dass Carmen vorerst für sich behalten wollte. Aber wenn Alex das Bindeglied war, konnte er vielleicht von ihm mehr erfahren. Und er mußte eine Versöhnung zwischen Carmen und Alex anstreben. Er wollte, dass sie ein gutes Team wurden. Er fühlte sich wohl unter diesen Menschen.
"Warum sagst du nichts, Markus?", fragte Carmen. Ihre Stimme klang traurig. "Ich möchte, dass alles gut ausgeht, Carmen. Und ich möchte, dass wir uns alle Vier gut verstehen. Ich mag deine Schwester sehr, und Alex auf seine Weise auch." Carmen rümpfte die Nase. "Es wird mich eine große Überwindung kosten, ihm freundlich zu begegnen.", murmelte sie. "Tu es für mich, Schatz, für uns...", bat er und setzte sein unwiderstehliches Lächeln auf. Sie nickte. "Ich werde mir Mühe geben."
Markus nahm sich vor, am Abend mit Alex unter vier Augen zu reden. Er mußte wissen, weshalb Carmen ihn nicht ausstehen konnte.

© Ingrid Hartung