Glück auf Zeit 96


Carmen konnte sich nicht erinnern, jemals so ein schönes Wochenende erlebt zu haben. Sie war überglücklich. Am Samstag war sie mit Markus in seinem BMW nach München gefahren. Er hatte das Auto in einer Seitenstraße geparkt, und sie waren durch die Innenstadt geschlendert. Er hatte sie in diverse Kaufhäuser gezerrt und am Ende des Tages waren sie mit 5 Plastiktüten voller Kleidungsstücke wieder in den BMW gestiegen. Sie hatten auch einige Kirchen besichtigt, das Glockenspiel auf dem Marienplatz bewundert, und sie waren in zwei Restaurants eingekehrt, einmal um Mittag zu essen und zum Abschluss genossen sie in einem kleinen gemütlichen Pub ein hervorragendes Ragout fin und einen französischen Rotwein.
Markus hatte darauf bestanden, alles zu bezahlen, woraufhin Carmen ein schlechtes Gewissen bekam und in sich ging. Markus nahm sie in die Arme. "Schatz, du solltest dich eigentlich freuen und nicht traurig sein. Mach dir keine Sorgen. Ich kann es mir wirklich leisten!" Sie wollte ihm die gute Laune nicht verderben. Sie glaubte zu träumen. Aber wenn er sie in die Arme nahm und küßte und wenn sie dabei seinen schnellen Atem spürte sie, dass es Wirklichkeit war. Sie konnte sich nur nicht erklären, wie alles so schnell gehen konnte.
Sie hatte Petra verflucht, weil sie nach so kurzer Zeit des Kennenlernens mit Alex ins Bett gegangen war. Aber Markus war schließlich nicht Alex, er war etwas Besonderes. Alex würde ihm nie das Wasser reichen können.
Auf dem Rückweg fuhr Markus schneller als es erlaubt war, aber sie landeten wohlbehalten vor seiner Haustür. Lachend stiegen sie aus dem Auto, bepackt mit den Einkaufstüten. In seinem Appartement angekommen, ließ er die Einkaufstüten fallen, zog sie an sich und küßte sie innig. Er lächelte charmant. "Du ziehst jetzt dieses entzückende Teil an, und ich hole uns eine Flasche Champagner." Carmen war natürlich klar, dass er das rote Minikleid aus Samt meinte, ein sehr gewagter Kauf, dem sie nur auf sein Drängen hin zugestimmt hatte. Sie war der Meinung, dass ihr die Farbe nicht stand. Andererseits mußte sie feststellen, dass sie sich in dem Kleid sehr gut gefiel, als sie in den Spiegel schaute. Markus hatte bereits zwei Gläser Champagner eingegossen, und sie hatten einander zugeprostet. Carmen war der Meinung, selten so ein genüßliches Getränk verzehrt zu haben. Sie saßen beide engumschlungen auf der riesigen Velourcouch. Er hatte den CD-Player eingeschalten. "Schatz", sagte er leise. "Ich hoffe, du bereust die gestrige Nacht nicht." Carmen schrak zusammen, gab dann aber gefaßt zurück. "Nein, ganz im Gegenteil. Es war wahrscheinlich die schönste Nacht, die ich je erlebt habe." Sie konnte ihm ja schlecht eingestehen, dass sie sich eigentlich gar nicht mehr erinnern konnte, was geschehen war. Er lächelte vielsagend."Du hast schon einige schöne Nächte erlebt, Schatz." Sie sah ihn mißtrauisch an. "Wie meinst du das?", fragte sie verwirrt. "Du warst keine Jungfrau mehr.", konstatierte er und zog die Augenbrauen nach oben. "Was hast du denn erwartet?", fragte sie kühl. "Ich bin volljährig!", fügte sie trotzig hinzu. "Und du bist ungeheuer sexy." Sie lächelte ihn dankbar an.

© Ingrid Hartung