Robert hatte es nicht übers Herz gebracht, gleich in Alex' Wohnung zu fahren. Er fuhr mit seinem BMW bis zum Kulkwitzer See, wo er glaubte, bei einem Spaziergang in Ruhe nachdenken zu können, was er seinem Sohn sagen wollte. Er hielt auf dem Parkplatz an und beschloss den See einmal zu umlaufen, ehe er zu seinem Sohn fuhr. So hatte Kalle noch etwas Zeit, um seinen Rausch auszuschlafen. Und er selbst war dann vielleicht auch etwas ruhiger, denn ihn hatte eine Nervosität befallen, die ihm fremd war. Er lief den schmalen Weg zum Ufer hinab und sah auf den See. Wie trügerisch friedlich nahm sich dieser aus. Es war fast windstill, heute könnte man keine Wellen erkennen, obwohl bekannt war, dass hier bei hohem Wellengang schon mehrere Menschen ertrunken waren. Auf der gegenüberliegenden Seite sah er das Dampfschiff, eine eine Gaststätte, die er zu einem besonderen Anlass mit Kalle und Marika einmal besuchen wollte. Eigentlich wollte er seinen 40. Geburtstag dort feiern, aber wenn sich die Dinge nicht änderten, wäre das nicht möglich, denn wie so viele Gaststätten in der Gegend war auch das Dampfschiff verwaist, und wer konnte wissen, ob sich in der nächsten Zeit ein neuer Betreiber finden würde. Vieles am Rande der Stadt hatte sich verändert. Allmählich begannen die Menschen, aus den Neubaugebieten zu fliehen, weil sanierte Stadtwohnungen attraktiver geworden waren. Er hatte als Elektriker einige von ihnen mit installiert. Aber diese Wohnungen reizten ihn nicht, da er wußte, dass sie für ihn finanziell unerschwinglich waren. Überhaupt schienen einige Träume in weite Ferne gerückt, weil man sie sich nicht mehr leisten konnte. Er verdiente zwar nicht schlecht, aber er hatte das Gefühl, dass mit der neuen Währung, dem Euro, alles doppelt so teuer geworden war. Die Miete, der Lebensunterhalt, und wenn er an die Worte dieses Herrn Winckelmann dachte, der behauptet hatte, dass Kalle auf dem besten Weg war, seine Lehrstelle zu verlieren, bekam er ein laues Gefühl im Magen, und er mußte sich eingestehen, dass er sich die Reise mit Marika nach Mallorca eigentlich gar nicht hätte leisten dürfen. Er fragte sich ernsthaft, warum er sich plötzlich solche Gedanken um seinen finanziellen Status machte, wo er doch bis vor nicht allzu langer Zeit, ähnlich wie sein Sohn, in den Tag hineingelebt hatte. Keimte in ihm dieses Verantwortungsbewußtsein auf, weil Kalles mögliche Vaterschaft ihm gezeigt hatte, dass es notwendig war, für seine Familie Pflichtbewußtsein zu übernehmen? Ihm war klar, dass er Kalle in diesem Punkt allein gelassen hatte. Er hatte ihm keine Hilfe angeboten, er hatte ihn nur gefragt, wie er sich es vorstellte, ein Kind in die Welt zu setzen, ohne es ernähren zu können. In Anbetracht dieser Tatsache war ihm klar, dass er als Vater erneut versagt hatte. Ohne es zu merken, war er wieder auf dem Parkplatz, wo sein Auto stand, angelangt. Dunkle Wolken waren aufgezogen, ein eisiger Wind fegte ihm ins Gesicht. Es war bereits halb elf. Er beschloss, in Alex' Wohnung zu fahren, und seinen Sohn nach Hause zu holen.
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