Meine Eltern hatten kein Auto. Wir wohnten in der Großstadt und jedes Ziel war mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Weder mein Vater noch meine Mutter hatten eine Fahrerlaubnis. Hinzu kam, dass mein Vater der einzige war, der das Autofahren vertrug. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie wütend er wurde, wenn wir im Urlaub eine Busfahrt unternahmen und nie am Ziel ankamen, weil meine Mutter, meine Schwester oder ich bereits vor dem Zieleinlauf eine Plastiktüte mit Erbrochenen gefüllt hatten. Doch die Zeiten änderten sich. Ich lernte meinen Mann auf dem Polterabend einer Kommilitonin kennen, der Bräutigam war sein Armeekumpel. Wir beide blieben bis zur Hochzeit. Ich borgte mir ein Kleid von der Schwägerin des Bräutigams. Er fuhr mich in seinem blauen Blitz, einem Trabi, heim. Er musste bremsen, weil ein Reh die Strasse kreuzte. Leider hatte ich keine Plastiktüte griffbereit. Er hat mich trotzdem geheiratet. Wir zogen aufs Land. Als er sich einer Knieoperation unterziehen musste, die nur in einer Klinik ausgeführt werden konnte die mit dem Zug kaum erreichbar war, musste ich meine Schwägerin bitten, mich dorthin zu fahren. Das war mir peinlich, und dann stand mein Entschluss fest. Ich musste die Fahrprüfung absolvieren, koste es, was es wolle. Mein Fahrlehrer hatte es nicht leicht mit mir. Unbekümmert fuhr ich in die Spielstraße, weil wir dort als Kinder auch Rollschuh gefahren waren. Und meine Nachtfahrt werde ich wohl nie vergessen. Es hatte geschneit, die Strassen waren glatt, aber ich wollte es unbedingt wissen. Ich war optimistisch, doch dann kam ich auf der Landstraße auf dem überfrorenen Belag ins Rutschen. Ich spürte es deutlich, doch statt auf die Bremse zu gehen, betätigte ich intuitiv das Gaspedal. Ich landete mit dem neuen Opel meines Fahrlehrers direkt an einem Baum. Ein Ford Transit mit türkischen Insassen war so nett, uns abzuschleppen. Mein Vater, der die Kinder betreute, fragte mich: "Na, hast du die Karre an den Baum gefahren." Ich atmete tief durch:"Ja, natürlich." Mein Vater weiß bis heute nicht, dass das die Wahrheit war. Wie durch ein Wunder und den festen Willen meines Fahrlehrers, mich los werden zu wollen, bestand ich die praktische Fahrprüfung auf Anhieb. Ich war 32 Jahre alt. Im letzten Jahr hatte ich meinen 50. Geburtstag. Ich fahre immer noch Auto, einen Audi, Baujahr 1994. Jeden Tag fast 60 Kilometer. Ich habe immer noch eine Plastiktüte dabei, aber ich benötige sie nur, wenn es ganz stark regnet. Dann lege ich sie auf den Fahrersitz, damit es drinnen nicht nass wird. Ich weiß, dass ich bei einem Autounfall sterben werde, aber bisher habe ich einfach nur Glück gehabt...
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